Über Entschuldigungen…

Die entwicklungspolitische Szene in Deutschland setzt sich in den letzten zehn Jahren vermehrt mit Rassismus auseinander. In diesen Prozessen spielt die Zusammenarbeit zwischen weißen Organisationen und People of Color sowie migrantisch-diasporischen Organisationen oft eine wichtige Rolle. In dieser, oft auch nur punktuellen Zusammenarbeit, ist es in den letzten Jahren immer wieder zu größeren und kleineren Rassismusreproduktionen gekommen. Die meisten Vorfälle und Konflikte erreichen nicht die Öffentlichkeit und versanden leider häufig ungelöst im Alltag der (meist weiß bleibenden) Organisationen.

Ein Fall, der größere Wellen schlug, war die Beendigung des Projektes „move global/glokal“ durch das Eine-Welt Netzwerk (EWNW) 2010/2011 in Hamburg mit der Abwicklung des Teams (2010) sowie der anschließenden Kündigung des Projektleiters (2011). Die AG Sporen Lobal (Hinweis Juni 2016: Der Blog der AG Sporen Lobal ist inzwischen offline. Die Dokumentation geht weiter auf der Seite von MEPa Nord.) schaffte über ihren Blog größtmögliche Transparenz über den weiteren Umgang mit dem Konflikt innerhalb des EWNWs, zeigte, dass der Fall nicht vergessen war und übte Druck auf den Verein aus, nicht noch mehr Gras über die Sache wachsen zu lassen. Siehe dazu auch unseren Beitrag von 2013.

Im Juni 2015 hat das EWNW nun nach mehrjährigem Schweigen, eine Entschuldigungserklärung auf seiner Webseite veröffentlicht. Leider wurde die Gunst der Stunde vom EWNW nicht genutzt um beispielhaft zu zeigen, wie eine rassismuskritische Entschuldigung aussehen könnte. Stattdessen wurde die Entschuldigung mit Sätzen wie „Nach dem Aktenstudium haben wir den Eindruck, dass keine und keiner der seinerzeit Beteiligten frei von Fehlern durch dieses Projekt gegangen ist.“ ergänzt und damit gleichzeitig wieder abgeschwächt und relativiert. Die AG Sporen Lobal kommentiert das folgendermaßen: „Die Vorstands-Erklärung ist also endlich da: eine „Wir-machen-alle-Fehler-Erklärung“. Das ist richtig, aber einige von diesen „Wir“ sitzen an der Macht, und andere werden rausgeschmissen. Die Sache mit der Macht lässt hier keinen Raum für ein verallgemeinerndes „Wir.“ Schon gar nicht wenn die einen Weiß-Deutsche sind und die anderen People of Color.“

Die Entschuldigungserklärung schließt mit dem Wunsch: „Wir möchten den Dialog fortführen und ausweiten und hoffen, dass wir in eine gemeinsame Aufarbeitung auch mit denjenigen eintreten werden, die den Dialog mit uns in den vergangenen Monaten abgelehnt haben.“ Den Wunsch nach Aufarbeitung teilen gewiss alle Beteiligten. Aber der Vorwurf, dass die Adressat*innen der Entschuldigung nicht dialogbereit waren, mag nach den Jahren des eigenen Schweigens als zynisch gelesen werden. Da viele weiße Organisationen in ähnlichen Fällen die Definitionsmacht über den Konflikt in der Öffentlichkeit haben, gelingt es ihnen häufig sich selbst als gesprächsbereit darzustellen ohne die tatsächlichen Gründe für ein fehlendes Gespräch zu benennen, sei es eine noch ausstehende Entschuldigung wie in diesem Fall oder aber eigene Gesprächsverweigerungen oder das Drohen mit rechtlichen Konsequenzen wie in anderen Fällen. Der dabei oft verwendete Begriff „Dialog“ klingt auf den ersten Blick vielversprechend, verschleiert jedoch die tatsächlichen Machtverhältnisse und Handlungsmöglichkeiten. Sogenannte Dialoge finden nicht auf Augenhöhe statt, sondern unter den selben, häufig sogar noch verschärften Herrschaftsverhältnissen, wie die ursprüngliche Rassismusreproduktion.

Den Menschen, bei denen sich entschuldigt wird, jedoch die (Mit-)Schuld an der diskriminierenden Handlung sowie deren fehlenden Aufarbeitung zuzusprechen, ist nicht neu, sondern als „blaming the victim“ Strategie bekannt. Chescaleigh beschreibt auf youtube in ihrem Clip „Getting Called Out: How to Apologize“ wie durch Abwehrmechanismen und rhetorische Floskeln (z. B. „falls“ oder „aber“-Nebensätze) die eigene Verantwortung für Diskriminierungen relativiert werden kann. Aber sie beschreibt auch wie Verantwortung übernommen und sich adäquat entschuldigt werden könnte: sich glaubwürdig entschuldigen und zu versprechen alles dafür zu tun, dass es nicht mehr vorkommt. Ohne wenn oder aber.

Wir wissen auch aus eigener Erfahrung, dass solche Prozesse nicht einfach sind und es eher die Regel als die Ausnahme ist, dass sie nicht konfliktfrei verlaufen. Für den aktuellen Fall in Hamburg wünschen wir, dass die lang erwartete Entschuldigung trotz der enthaltenen abwehrenden Botschaften den Weg für einen gemeinsamen, rassismussensiblen Aufarbeitungs- und Mediationsprozess frei macht.