Schlagwort-Archive: institutioneller Rassismus

Institutionelle Diskriminierung

Vor kurzem hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ihren neuen Bericht zu Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben publiziert. In dem Bericht wird nicht nur ausführlich dargestellt, wie diskriminierend und ausschließend die deutsche Bildungs- und Arbeitslandschaft ist, es werden auch umfangreiche Empfehlungen für Veränderungen gegeben.

Der Blick in entwicklungspolitische Institutionen und Organisationen in Deutschland bestätigt, dass auch und gerade hier diese Empfehlungen dringend zur Kenntnis genommen werden sollten. Der neu gegründete Dachverband Migration-Entwicklung-Partizipation e.V. (MEPa) betont in einer Stellungnahme, dass sie “in vielen Bundesländern eine angemessene Einbindung migrantischer Experten” vermissen und “gegenwärtig die Chancengerechtigkeit für die Migrant/innen in den NRO- Strukturen nicht gewährleistet” sehen. Noch konkreter wird die AG Sporen lobal aus Hamburg. In einem Artikel “Ein Jahr Rassismusvorwurf gegen Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V.” hält sie Rückblick darauf, wie mit dem Vorwurf des strukturellen Rassismus gegen das Landesnetzwerk umgegangen wurde:
“Eine Mauer des Schweigens umgibt die Affäre moveGLOBAL, wie die meisten Diskriminierungsfälle hier zulande. Die Persönlichkeiten im ehemaligen moveGLOBAL-Projektbeirat decken EWNW den Rücken und kehren die Affäre unter den Teppich. Die Arbeitsgemeinschaft der Landesnetzwerke in der Eine-Welt-Arbeit – agl – stellt ihr Hamburger Mitglied EWNW nicht in Frage. Der zum Teil neu gewählte Vorstand des EWNW schweigt – ebenso wie der alte. Der Geldgeber BMZ scheint das Thema vergessen zu haben. Business as usual – Ein Jahr Rassismusvorwurf gegen Eine Welt Netzwerk Hamburg e. V.”

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Asyl: Spiel vs. Realität

In Berlin-Hellersdorf wehrt sich die Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf mit T-Shirt- Aufdrucken wie “Nein zum Heim” sowie den Daten des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen gegen ein geplantes Asylbewerberheim in ihrem Bezirk. In Berlin-Reinickendorf haben Mieter_innen einen Anwalt beauftragt, um durchzusetzen, dass Kinder aus dem benachbarten Heim nicht mehr auf dem Spielplatz vor ihrem Haus spielen dürfen. Im schweizerischen Aarau verbietet die Stadtverwaltung Asylbewerber_innen den Besuch des örtlichen Schwimmbades, der Sportanlagen, der Bibliothek und der Kirchen.

Zeitgleich zu diesen rassistischen Aktionen startet das ZDF die Show “Auf der Flucht – Das Experiment”, in der sich deutsche Prominente “in die Ursprungsländer Asylsuchender in Deutschland” aufmachen sollen und so “am eigenen Leib [erfahren], was es heißt, auf der Flucht zu sein”. Anstatt Geflüchtete selbst zu Wort kommen zu lassen, zieht es das staatliche deutsche Fernsehen vor, eine Sendung voller rassistischer Bewertungen und Beschreibungen zu produzieren. Nadia Shehadeh hat einen offenen Brief an den ZDF Fernsehrat geschrieben. Er kann hier auch unterschrieben werden.

Ähnlich problematische Sendereihen strahlen derzeit übrigens RTL und Pro7 aus: Wild Girls – Mit Highheels durch Afrika und Reality Queens of Safari. Letztere wurde nun aufgrund niedriger Einschaltquoten und umfassender Kritik von NRO und vielen anderen eingestellt. Nicht zu unrecht fragt sich ein Kommentator auf africaisacountry “What’s wrong with the Germans?”.

Justice for Trayvon Martin

Am 26. Februar 2012 erschoss der Nachbarschaftspatrouillen-Koordinator George Zimmermann den schwarzen Teenager Trayvon Martin. Vor ein paar Tagen wurde Zimmermann von einem Gericht in Florida sowohl der Anklage auf Mord als auch auf Todschlag freigesprochen. Das Urteil hat in den USA und weltweit Empörung und großes Unverständnis ausgelöst und eine Debatte über Racial Profiling und institutionellen Rassismus reaktiviert. Die National Association of the Advancement of Colored People (NAACP) hat eine Petition an das Justizministerium gestartet, die innerhalb weniger Tage schon über eine halbe Million Menschen unterzeichnet haben. Die Petition kann hier unterstützt werden:

bell hooks nimmt eine Beschreibung von Zimmermann in ihrem 2000 erschienenen Buch “All about love” vorweg:

“White supremacy has taught him that all people of color are threats irrespective of their behavior. Capitalism has taught him that, at all costs, his property can and must be protected. Patriarchy has taught him that his masculinity has to be proved by the willingness to conquer fear through aggression; that it would be unmanly to ask questions before taking action. Mass media then brings us the news of this in a newspeak manner that sounds almost jocular and celebratory, as though no tragedy has happened, as though the sacrifice of a young life was necessary to uphold property values and white patriarchal honor. Viewers are encouraged to feel sympathy for the white male home owner who made a mistake.”

In Deutschland haben die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) und die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) aktuell eine Kampagnenaufruf “Racial Profiling kostet” gestartet. Alle Menschen, denen Racial Profiling widerfährt oder die es beobachten, sind aufgefordert ihre Stimme zu erheben. Ein Vordruck für einen Brief an die Bundespolizeidirektion in Koblenz findet sich hier.

Interkulturelle Öffnung der entwicklungspolitischen Szene

Entwicklungspolitik ist eines der internationalsten Arbeitsfelder. Daher ist die Verwunderung oft besonders groß, wenn festgestellt wird, dass in den meisten Institutionen und Nichtregierungsorganisationen fast ausschließlich Mitarbeitende aus der dominanten Mehrheitsgesellschaft arbeiten: Menschen aus dem Globalen Süden, Schwarze Menschen und People of Color scheinen mehr oder weniger strukturell ausgeschlossen zu sein.

In den letzten Jahren haben sich mehrere Projekte und Initiativen gefunden, die versucht haben das Thema der sogenannten Interkulturellen Öffnung in der entwicklungspolitischen Szene, vornehmlich in der Zivilgesellschaft, voranzubringen. Eines der Projekte war das vorzeitig beendete Projekt “move glokal/move global” in Hamburg. Inzwischen ist nicht nur eine Evaluation des EWNW-Projektes, sondern auch eine Gegendarstellung des gekündigten Projektleiters Dr. Ali Fathi online. Weiterlesen