Schlagwort-Archive: Rassismus

Stellungnahme von Edewa zur Abschaffung des N-Worts

Die Einkaufsgenossenschaft antirassistischen Widerstandes (Edewa) knüpft an die Anfang des Jahres geführte Debatte um Rassismus in Kinderbüchern an und feiert in Solidarität mit den Schwarzen Communities in Deutschland die Abschaffung des N-Worts. Die Stellungnahme findet sich hier.

 

Etappensieg gegen Windmühlen

In den letzten Tagen wurden sowohl eine kolonial-rassistische Sendereihe als auch ein rassistischer Werbespot eingestellt. Es ist zwar nicht ganz klar, was Pro7 bewogen hat, die Sendereihe Reality Queens of Safari einzustellen, aber neben niedrigen Einschaltquoten hat die umfassende Kritik von NRO und vielen anderen sicherlich auch dazu beigetragen. Die Kampagne gegen die Sendung hat es sogar geschafft, auf Spiegel Online erwähnt zu werden. Bei dem Werbespot von Ferrero ist die Sache eindeutiger. Medien wie Neues Deutschland, taz und Stern berichteten darüber, aber vor allem gab es viele Leser_innenbriefe und einen Sturm der Kritik in “sozialen Netzwerken”. Auch wenn Einsicht anders aussehen könnte, als uns Begriffsstutzigen zu erklären, dass es sich “[b]ei der aktuellen Werbung […] um die Darstellung einer Produktvariation von Ferrero Küsschen mit weißer Schokolade” handelt und sich “[a]lle Aussagen […] demnach einzig auf die weiße Schokolade [beziehen] – selbstverständlich ohne fremdenfeindlichen Hintergedanken”, so hat sich Ferrero aufgrund der “kritischen Stimmen […] für eine Überarbeitung der Werbung entschieden”. Der Videoclip wurde zurückgezogen und der Spruch “Deutschland wählt weiß” ist auf keinem Werbeplakat mehr zu finden.


 

Asyl: Spiel vs. Realität

In Berlin-Hellersdorf wehrt sich die Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf mit T-Shirt- Aufdrucken wie “Nein zum Heim” sowie den Daten des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen gegen ein geplantes Asylbewerberheim in ihrem Bezirk. In Berlin-Reinickendorf haben Mieter_innen einen Anwalt beauftragt, um durchzusetzen, dass Kinder aus dem benachbarten Heim nicht mehr auf dem Spielplatz vor ihrem Haus spielen dürfen. Im schweizerischen Aarau verbietet die Stadtverwaltung Asylbewerber_innen den Besuch des örtlichen Schwimmbades, der Sportanlagen, der Bibliothek und der Kirchen.

Zeitgleich zu diesen rassistischen Aktionen startet das ZDF die Show “Auf der Flucht – Das Experiment”, in der sich deutsche Prominente “in die Ursprungsländer Asylsuchender in Deutschland” aufmachen sollen und so “am eigenen Leib [erfahren], was es heißt, auf der Flucht zu sein”. Anstatt Geflüchtete selbst zu Wort kommen zu lassen, zieht es das staatliche deutsche Fernsehen vor, eine Sendung voller rassistischer Bewertungen und Beschreibungen zu produzieren. Nadia Shehadeh hat einen offenen Brief an den ZDF Fernsehrat geschrieben. Er kann hier auch unterschrieben werden.

Ähnlich problematische Sendereihen strahlen derzeit übrigens RTL und Pro7 aus: Wild Girls – Mit Highheels durch Afrika und Reality Queens of Safari. Letztere wurde nun aufgrund niedriger Einschaltquoten und umfassender Kritik von NRO und vielen anderen eingestellt. Nicht zu unrecht fragt sich ein Kommentator auf africaisacountry “What’s wrong with the Germans?”.

Justice for Trayvon Martin

Am 26. Februar 2012 erschoss der Nachbarschaftspatrouillen-Koordinator George Zimmermann den schwarzen Teenager Trayvon Martin. Vor ein paar Tagen wurde Zimmermann von einem Gericht in Florida sowohl der Anklage auf Mord als auch auf Todschlag freigesprochen. Das Urteil hat in den USA und weltweit Empörung und großes Unverständnis ausgelöst und eine Debatte über Racial Profiling und institutionellen Rassismus reaktiviert. Die National Association of the Advancement of Colored People (NAACP) hat eine Petition an das Justizministerium gestartet, die innerhalb weniger Tage schon über eine halbe Million Menschen unterzeichnet haben. Die Petition kann hier unterstützt werden:

bell hooks nimmt eine Beschreibung von Zimmermann in ihrem 2000 erschienenen Buch “All about love” vorweg:

“White supremacy has taught him that all people of color are threats irrespective of their behavior. Capitalism has taught him that, at all costs, his property can and must be protected. Patriarchy has taught him that his masculinity has to be proved by the willingness to conquer fear through aggression; that it would be unmanly to ask questions before taking action. Mass media then brings us the news of this in a newspeak manner that sounds almost jocular and celebratory, as though no tragedy has happened, as though the sacrifice of a young life was necessary to uphold property values and white patriarchal honor. Viewers are encouraged to feel sympathy for the white male home owner who made a mistake.”

In Deutschland haben die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) und die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) aktuell eine Kampagnenaufruf “Racial Profiling kostet” gestartet. Alle Menschen, denen Racial Profiling widerfährt oder die es beobachten, sind aufgefordert ihre Stimme zu erheben. Ein Vordruck für einen Brief an die Bundespolizeidirektion in Koblenz findet sich hier.

Schulpartnerschaften für den Frieden?

In den letzten Monaten sind zwei neue, interessante Publikationen zum Thema Schulpartnerschaften erschienen. Luise Steinwachs von Berlin Postkolonial analysiert in der Studie “Persönliche Begegnungen in Schulpartnerschaften”, welchen Einfluss Süd-Nord-Schüleraustausch auf die Identitätsentwicklung von Schüler_innen in Deutschland hat. Dabei kommt sie u.a. zu folgenden Ergebnissen:

1. Persönliche Begegnungen im Rahmen von Schulpartnerschaften können Vorurteile und Klischees verstärken.
2. Bei einem Großteil der Schulpartnerschaften, die an der Erhebung teilgenommen haben, ist die  entwicklungspolitische Einbettung der Partnerschaft nicht ausreichend, um globale Zusammenhänge zu durchschauen. Daher wird auf vereinfachte Erklärungsmuster zurückgegriffen.
3. Der Zeitraum persönlicher Begegnungen von ca. drei Wochen reicht nicht aus, um tatsächlich Schritte in Unsicherheit und Unverständnis zu wagen. Die Erklärungsmuster der Jugendlichen dienen vorrangig der Selbstversicherung und Irritationen werden wenig zugelassen.

In einer weiteren, zweisprachig deutsch-spanischen Publikation von KATE finden sich Interviews mit verschiedenen Akteur_innen von Schulpartnerschaften. Die Broschüre fällt durch eine Vielzahl von machtkritischen Fragen positiv auf. Anstatt im klassischen Tonfall der interkulturellen Kommunikation zu bleiben, spricht Claudia Schilling vom ENSA-Programm beispielsweise Themen wie Privilegien, ungleiche Partnerschaften und die Frage nach der Definitionsmacht an. In einer Welt der Schulpartnerschaften, die oftmals eher eine Welt von Schulpatenschaften ist und in der Helfen und Entwicklung zwei gängige Motive sind, ist das eine neue Sprache. Allerdings sei hier angemerkt, dass insbesondere im ENSA-Programm diese neuen Perspektiven mit langwierigen Diskussionen, Ausschlüssen und Rassismusreproduktionen einhergingen bzw. einhergehen.

Wo sind all die…? HIER!

Aktuell werben wieder mehrere Plakatkampagnen, von Versicherungen bis Ministerien, mit Weißen Kindern in “Indianerkostümen”. Während in Nordamerika zumindest eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskussion um kulturelle Aneignung existiert – auch wenn im Mainstream da nicht viel von zu sehen ist -, ist diese in Deutschland kaum angekommen. Bis auf kleinere Adbusting-Aktionen wie das “Leitkultur macht stark”-Plakat, scheinen Plakatkampagnen wie die des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unwidersprochen zur deutschen Realität zu gehören.

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Big Brother Award für die Bundespolizei

Der von dem Verein digitalcourage seit Jahren vergebene Anti-Preis für das Themenfeld Privatspäre und Datenschutz “Big Brother Award” ist in diesem Jahr in der Kategorie Behörden & Verwaltung an die Bundespolizei vergeben worden. Grund ist die alltäglich angewandte Praxis des Racial Profiling, bei der Menschen verdachtsunabhängig aufgrund rassistischer Rasterungen von der Polizei kontrolliert werden. In der Laudatio werden u.a. obligatorische Antirassismus-Trainings für die Polizei, gefordert, sowie ein gesetzlicher Verbot von Polizeikontrollen aufgrund äußerlicher Merkmale.

 

UN Antirassismusausschuss (CERD) rügt die Bundesrepublik im Fall Sarrazin

Der Türkische Bund Berlin Brandenburg hatte 2009 einen Strafantrag gegen Thilo Sarrazin wegen Volksverhetzung und Beleidigung bei der Berliner Staatsanwaltschaft gestellt. Das Verfahren wurde eingestellt. Nun hat der Türkische Bund beim UN Antirassismusausschuss (CERD) Beschwerde eingelegt und dieser hat in seiner Entscheidung die Bundesregierung schwer gerügt.

Der TBB-Sprecher Hilmi Kaya TURAN erklärte in einer Pressemitteilung: “Dies ist eine historische Entscheidung. Der CERD-Ausschuss hat festgestellt, dass die Äußerungen Herrn Sarrazins auf einem Gefühl rassischer Überlegenheit oder Rassenhass beruhen und Elemente der Aufstachelung zur Rassendiskriminierung enthalten. Der CERD-Ausschuss hat festgestellt, dass trotz vorhandener gesetzlicher Bestimmungen Umsetzung der Bestimmungen des Übereinkommens in der Bundesrepublik in der Praxis unzureichend ist. Der Ausschuss hat die Bundesrepublik aufgefordert, entsprechend zu handeln. Außerdem hat der Ausschuss implizit eine entsprechende Schulung der Staatsanwält_innen und Richter_innen empfohlen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dem Bundestag und den Landesregierungen, dass die CERD-Empfehlungen ohne Verzögerung umgesetzt werden.”

Develop-mental Turn

Der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag e.V. (BER) hat im April mit “Develop-mental Turn. Neue Beiträge zu einer rassismuskritischen entwicklungspolitischen Bildungs- und Projektarbeit.” eine Neuauflage der 2007 erschienenen Broschüre “Von Trommlern und Helfern” herausgebracht. Neben vielen neuen Artikel zu aktuellen Diskussionen um Rassismuskritik und Entwicklungszusammenarbeit, finden sich in der Broschüre eine Reihe von Artikeln von glokal und glokal Mitgliedern, z.B. zu Grundlagen von rassismuskritischen und postkolonialen Perspektiven auf Entwicklungszusammenarbeit sowie zu den Arbeitsfeldern weltwärts Freiwilligendienst, Spendenwerbung, entwicklungspolitische Bildungsarbeit und Fairer Handel.

Die Broschüre kann beim BER bestellt werden.

Kinderbuchdebatte

In Deutschland tobt seit ein paar Wochen eine heftige Kinderbuchdebatte: Indem diskutiert wird, was wir unseren Kindern vorlesen wollen, steht zur Diskussion, welches Bild von Welt und von sich selbst vermittelt werden soll. Leitmedien wie die ZEIT demonstrieren wirkmächtig und mit rassistischer Bildsprache unterlegt: Die weiße Mehrheitsgesellschaft soll weiterhin die Definitionsmacht darüber besitzen, welche Geschichten erzählt werden und mit welchen Worten sie erzählt werden sollen.
Die Debatte um die Verwendung des N-Wortes ist eine sehr zentrale, nicht zuletzt weil dadurch das aktuelle Rassismusverständnis des Mainstreams deutlich wird und zumindest ansatzweise zur Disposition steht. Leider passiert dies in den meisten Fällen durch die Reproduktionen und damit durch die Stabilisierung von Rassismus. Weiterlesen